Kunstvolle Glück- und Segenswünsche aus Papier

折り紙 ist die japanische Schriftform für Origami, welches sich aus den Worten oru (折る) für „falten“ sowie kami (紙) für „Papier“ zusammensetzt und für die Kunst des Papierfaltens steht.
Origami ist eine alte japanische Tradition, deren Ursprung bis
heute nicht wirklich belegt ist. Manche vermuten den Urquell im alten China und dass die Papierkunst in Japan lediglich kultiviert wurde. Die Han-Dynastie (206 v. Chr. bis 220 n. Chr.) liefert allerdings keine eindeutigen Hinweise, dass eine Vorform des Origami in China tatsächlich existierte. Erwiesen ist hingegen, dass zu Beginn des 7. Jahrhunderts das Papier durch buddhistische Mönche von China nach Japan gebracht wurde. Erst in der späten Heian-Zeit (794-1185) und der nachfolgenden Kamakura-Zeit (1185-1333) finden sich erste Schriftstücke, die auf Origami im Rahmen von religiösen und zeremoniellen Anlässen, wie etwa zu Shintō-Hochzeiten, hindeuten.
Manche sehen auch eine religiöse Verbindung darin, da das japanische Wort kami sowohl „Papier“ (紙) als auch „Gott“ (神) bedeuten kann. Allerdings sollte man hier bedenken, dass das Wort Origami sich tatsächlich erst im 20. Jahrhundert während der
Shōwa-Zeit (1926-1989) etablierte, davor hatte die Papierkunst etliche andere Bezeichnungen. Zudem nennt man die zeremoniellen Origami noch genauso wie damals noshi (熨斗).
Heutzutage werden sie zusammen mit Geschenken als Glücks- oder Segenswunsch überreicht, wenn man dem Beschenkten etwas „Gutes“ wünschen möchte.
Daher haben die traditionellen Origami im Gegensatz zu den heutigen modernen Figuren meist eine tiefere Bedeutung. Es wird angenommen, dass bis zur Muromachi-Zeit (1333-1568) Origami aufgrund der
hohen Preise für Papier nur der wohlhabenden Oberschicht vorbehalten blieb und sich dadurch nur schwerlich verbreitete. Erst gegen Ende der Epoche wurde Origami auch der breiten Bevölkerung
zugänglich und erlebte eine erste Blütezeit.
Im 19. Jahrhundert wurde auch ein Deutscher auf die Kunst des Papierfaltens aufmerksam. Der Pädagoge Friedrich Wilhelm August Fröbel (1782-1852) gilt als Begründer der Kindergarten-Bewegung und als bedeutender Reformer der Erziehungswissenschaften. Er betrachtete Origami nicht von seiner künstlerischen sondern seiner pädagogischen Seite. Da Fröbel der Ansicht war, dass alle Kinder ähnliche Bedürfnisse und Fähigkeiten haben, wollte er die Papierkunst für sein Bildungs- und Erziehungsprogramm nutzen und das schematische Papierfalten als spielerisches Mittel der Kindererziehung einführen. Auch im fernen Japan wurde man auf die Kindergarten-Bewegung aufmerksam und
griff die Ideen des deutschen Pädagogen auf. Origami wurde nun zu einem festen Bestandteil des Lehrinhalts in japanischen Kindergärten, welches in vielen bis heute unterrichtet wird. Da beim Origami neben Geschicklichkeit, Genauigkeit und dem Erkennen geometrischer Zusammenhänge auch die Konzentration eine zentrale Rolle spielt, werden die Kinder früh an diese Fertigkeiten herangeführt.
Origami erfreut sich heute weit über die Grenzen Japans hinaus einer großen Beliebtheit bei Groß und Klein, Alt und Jung. Mittlerweile gibt es unzählige neu erfundene Figuren mit den unterschiedlichsten Schwierigkeitsgraden und die verschiedensten Arten von Falttechniken,
bei denen man beispielsweise mehrere Modelle zusammensteckt oder mit Wasser das Papier befeuchtet. Auch werden immer häufiger Hilfsmittel eingesetzt, um bessere Effekte oder mehr Stabilität zu erzeugen. Aber obwohl Origami sich über die Jahrhunderte weiterentwickelt hat, von unkomplizierten klassischen zu aufwendigen modernen Falttechniken, gilt im Grunde noch immer wie schon vor hunderten von Jahren die Regel: keine Schere und kein Klebstoff!
Ein Beitrag von Miriam Lingscheidt
EIGENTLICH... hat unsere Bildungswerk-Kollegin Miriam Lingscheidt Sprachen und Kultur verschiedener
asiatischer Länder studiert. Darum lässt sie uns hier an ihrem Wissen und ihren Fertigkeiten teilhaben.
Jetzt wird es praktisch: Einen Schmetterling und einen Kranich falten - Schritt für Schritt
Wer noch mehr falten möchte - hier sind Literaturhinweise:

Hayashi Teijo
Origami lernen leicht gemacht
Taschenbuch 9,95€
Empfehlung: für Anfänger

Akira Yamamoto
Das Origami-Buch:
25 Faltmodelle für Kinder, Einsteiger und Fortgeschrittene (einfach erklärt)
Taschenbuch 9,95€
Empfehlung: für Anfänger und Fortgeschrittene
Akira Yoshizawa
Origamikunst
Gebundenes Buch 29,99€
Empfehlung: für Anfänger und Fortgeschrittene
Akira Yoshizawa (1911-2005) gilt als Begründer des modernen Origami und erweiterte die Faltkunst um über 50.000 neue Figuren.
Der Kranich verlangt etwas mehr Erfahrung im Falten:
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Bernhard Riedl (Samstag, 23 Mai 2020 17:48)
Ach wie schön. Hoffentlich nutzen viele die hübschen Vorlagen. Zeit für solche Gedulds- und Fingerübungen sollte ja immer noch sein. ;)